Als Expert:innen eingeladen waren Pfarrer Dr. Hendrik Meyer-Magister, stellvertretender Direktor und Studienleiter an der Evangelischen Akademie Tutzing, der in das Thema Macht und Ohnmacht aus theologischer Perspektive einführte, sowie evKITA-Fachberaterin Petra Zauner, die neben dem Blick auf das Arbeitsfeld Kita auch ihre langjährige Beratungserfahrung einbrachte.
Was ist eigentlich Macht?
Der Begriff „Macht“ löst bei vielen Menschen unangenehme Gefühle aus. Der Soziologe, Max Weber, sieht Macht als „Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht“.
Macht kann auf verschiedenen Ebenen stattfinden bzw. von verschiedenen Akteuren ausgehen. Auf der „Meta-Ebene“ werden in Gesellschaft und Politik Gesetze gemacht und Rahmenbedingungen festgezurrt, auf der „Meso-Ebene“ sind hierarchische Strukturen innerhalb von Institutionen zu verorten (z.B. bei Kirche oder Diakonie) und auf der Mikro-Ebene findet die konkrete Interaktion zwischen Menschen statt.
„Wir bewegen uns IMMER in Machtstrukturen, wir können der Macht nicht entgehen“, mit dieser Aussage nimmt Hendrik Meyer-Magister uns mit in die philosophisch-theologische Gedankenwelt. „Macht und Ohnmacht werden zwar oft in einem Atemzug genannt, aber sie sind kein Gegensatzpaar, denn beide sind alltagssprachlich eher negativ besetzt“, so der Theologe.
Macht, so erläutert er, komme von machen, von gestalten-können. „Wenn wir den Begriff ‚empowerment‘ verwenden, dann wird die Assoziation plötzlich positiv“. Ohnmacht bedeutet also in diesem Sinne (das Gefühl), nicht handeln und nicht gestalten zu können.
Macht an sich, so Meyer-Magister weiter, sei nicht „unanständig“. Er erläutert den Begriff auch anhand der Allmacht Gottes und der delegierten Macht, der „Bevollmächtigung“ – oder dem „empowerment“ des Menschen, das aus der Aussage „Macht Euch die Erde untertan“ abgeleitet wird. „Angesichts der Ambivalenz des Menschen wird auch Macht ambivalent – sie kann in positive Gestaltung münden oder destruktiv genutzt werden“. Destruktive Macht, so der Theologe, könne unter anderem in Situationen entstehen, in denen Rollen und Zuständigkeiten nicht geklärt seien.
Auch Fachberaterin Petra Zauner sieht das Problem nicht bei der Macht an sich: „Interaktion bedeutet immer Macht. Der französische Philosoph Michel Foucault beschrieb menschliches Verhalten einmal so: ‚Die Menschen wissen was sie tun; häufig wissen sie, warum sie das tun, was sie tun; was sie aber nicht wissen, ist, was ihr Tun tut.‘ Das bedeutet, wir müssen sensibel werden für das, was unser Tun tut.“ Vor allem auf der Mikroebene also in der Interaktion zwischen Menschen sei es wichtig sich zu fragen, was das eigene Tun beim Gegenüber auslöst: „Machtstrukturen in Gesprächen sind oft hintergründig und werden eher gefühlt. Es kann sein, dass sich nach einer Interaktion oder einem Gespräch, ein unterschwelliges Unwohlsein bemerkbar macht. Zum Beispiel kann ein gut gemeinter (vielleicht ungebetener) Ratschlag womöglich nicht als Unterstützung, sondern als Kritik von oben herab wahrgenommen werden. Zusätzlich kann es sein, dass die gefühlte Macht nicht mit der institutionellen Struktur übereinstimmt. So kann ja z.B. eine Leitung kompetenter sein als der Träger oder Geschäftsführer – das kann dann zu Irritationen in der Kommunikation führen und letztlich kann es hilfreich sein, wenn man Strukturen ändert. Machtstrukturen sind nicht statisch, sondern veränderbar.“
Rollenkonflikte und Strukturen
„Ich fülle meine Rolle mit meiner Persönlichkeit aus – da kann es wegen Erwartungen von außen an die Rolle durchaus zu Verwerfungen kommen. Das heißt, ich brauche eine Reflektion: Wer bin ich und was ist meine Rolle? Passt das zueinander?“ so beschreibt Henrik Meyer-Magister den möglichen Rollenkonflikt Arbeitgeber:in/Seelsorger:in.
Wichtig sei es auch zu klären: „In welcher Rolle spreche ich gerade?“ Bin ich hier als Seelsorger:in oder als Arbeitgeber:in, der oder die eine Entscheidung treffen muss. Inwieweit steuert das, was ich in der Seelsorge höre, meine Entscheidungen als verantwortliche Person, wenn auch nur implizit. Ich kann mich als Person nicht spalten, fülle aber beide Rollen aus.“ Möglicherweise seien andere Strukturen nötig, wie Supervision oder andere Zuständigkeiten.
Petra Zauner ergänzt, dass die Fähigkeiten bzw. Kompetenzen der Menschen beeinflussen sollten, wer welche Aufgaben und Verantwortlichkeiten hat. Auch dies könne helfen, Rollenkonflikte zu vermeiden.
Von der Ohnmacht ins Handeln kommen
Um es gleich vorweg zu nehmen: Als besonders belastend und herausfordernd wurden Situationen beschrieben, bei denen man durch äußere Umstände und Rahmenbedingungen in eine „Ohnmacht“ gerät und keinen Handlungsspielraum mehr sieht. Der Fachkräftemangel und damit verbunden die Tatsache, dass man Eltern keinen Kita-Platz anbieten kann ist für viele Träger eine Belastung. Hier setzt sich der evKITA intensiv für die Verbesserung von Rahmenbedingungen ein.
Im Austausch der Träger untereinander und mit den Expert:innen zeigte sich erneut der Mehrwert der evKITA-BlickPunkte – denn eine ganze Reihe von Tipps und Methoden für den Umgang mit Macht und Auswege aus der Ohnmacht wurden zusammengetragen:
- In Interaktionen und in der Kommunikation sensibel werden: Was tut unser Tun?
- In der Kommunikation und den Interaktionen transparent sein
- Rollen und Kompetenzen klären, um Irritationen zu vermeiden
- Rollenkonflikten ggf. durch neue Strukturen begegnen
- Rollen trennen, ggf. Geschäftsführungen einstellen
- Trennen zwischen Seelsorge und seelsorgerlicher Haltung. Nicht jedes Mitarbeitendengespräch ist ein seelsorgerischer Vorgang. Mitarbeitende können auch mit anderen Pfarrpersonen oder Beratungsstellen Kontakt aufnehmen.
- Den Eltern gegenüber hilfsbereit sein und Gespräche anbieten. Es ist wichtig, dass Eltern gehört werden (selbst wenn man an der Tatsache, dass es keinen Platz gibt nichts ändern kann); die Eltern in der Krise begleiten
- Unterscheiden zwischen Prozessverantwortung (die kann beim Träger liegen) und Lösungsverantwortung – die liegt beim Personalmangel nicht beim Träger, sondern bei der Politik.
- Supervision in Anspruch nehmen
- Methoden finden, die helfen, Spannungsfelder auszuhalten (Natur, …)
- Gottvertrauen (anerkennen: Ich bin nicht allmächtig und kann nicht alles lösen)
Fazit
Das beste Mittel gegen Ohnmachtsgefühle ist es also zu gestalten, ins Handeln zu kommen.
Das muss nicht der große Wurf oder die große Veränderung sein. Oft reicht schon ein erster kleiner Schritt.
Zum Thema Supervision sprechen Sie gerne Ihre Fachberatung an.