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Kitas weiterdenken - Neue Narrative gelingender Personalpolitik.

|   DurchblickAktuelles

Wir schreiben das Jahr 2028, eine evangelische Kita in Bayern mit 48 Krippenplätzen,100 Kindergarten- und 75 Hortplätzen. Seit Januar 2023 wurde hier dazu geforscht, wie sich neues Personal für das über die Landesgrenzen hinaus renommierte Bildungshaus finden lässt. Bei einer Analyse des Platz- und Personalbedarfs war dem Träger und dem Leitungsteam schnell klar, dass bei einem prognostizierten Mangel von 67 000 Fachkräften in Bayern neue Wege gefunden werden mussten. Wichtigste Prämisse war, die Arbeitsbedingungen so weiterzuentwickeln, dass das bestehende Personal weiter gern in der Kita arbeitet. Aufgrund des notwendigen Ausbaus in der Schulkindbetreuung sowie aufgrund einer größeren Zahl von Mitarbeiter:innen, die altersbedingt ausscheiden, wurde auf vielfältige Maßnahmen gesetzt.

Der Beitrag von Christiane Münderlein ist erschienen im Durchblick 2022 und kann hier als pdf-Datei heruntergeladen werden

Heute im November 2028 hat die Kita den Deutschen Kita-Preis für ausgezeichnete pädagogische Qualität gewonnen, 2027 erhielt sie den Arbeitgeberpreis für innovative Personalpolitik. „Die Arbeitszufriedenheit und das Ansehen der Arbeit hat sich deutlich erhöht“, so die Krippenleitung Hannah Klein. „Das hätte ich 2022 niemals für möglich gehalten. Ich wollte kündigen, weil jetzt die ganzen Ungelernten in die Kita kommen. Doch heute muss ich sagen, diese Krise war eine große Chance, unser pädagogisches und berufspolitisches Verständnis weiterzuentwickeln, und die Kinder profitieren auch.“ Kindergartenleiter Karsten Schmidt ergänzt:

„Es war wichtig, dass wir unsere Vorstellungen, wie eine gute Fachkraft ausgebildet ist, auf den Prüfstand gestellt haben. Durch unsere forschende Haltung haben wir gemerkt, dass ein angewandtes und wissenschaftlich fundiertes pädagogisches Studium als Erzieher:in, Kindheits- oder Sozialpädagog:in nach wie vor eine wesentliche Basis ist.

Aber durch den großen Personalzuwachs gewinnen wir durch andere hoch qualifizierte Berufsgruppen den Blick auf andere Lebens- und Arbeitsbereiche.

Darüber hinaus gehören zum pädagogischen Team zwölf Erzieher:innen, zwei Sozial- und drei Kindheitspädagog:innen, acht Kinderpfleger:innen, zwei Fachkräfte in Kitas und fünf Quereinsteiger:innen.

Das ist für uns, aber insbesondere auch für die Kinder erfüllend.“ Für Hortleiterin Sarah Wenk war entscheidend, dass die Forderungen der kommunalen Spitzenverbände vom August 2022, aufgrund des Fachkräftemangels vorrangig auf Assistenz- und Ergänzungskräfte zu setzen, verhindert wurde.

„Wir haben durch Fachkräfte auf DQR-6-Niveau Menschen gefunden, die ihre bisherigen beruflichen Erfahrungen einbringen. Die notwendige pädagogische Kompetenz haben sie in einer berufsbegleitenden Fortbildung erworben. Wichtig waren uns eine zugewandte Haltung und ein kokonstruktives Bildungsverständnis.“

 

Ein Blick in die Personalsituation 2028

Die 35 Kita-Fachkräfte setzen sich wie folgt zusammen: Das Leitungsteam des Bildungshauses besteht aus Krippenleitung Hannah Klein, sie ist Sozialpädagogin B. A. und Erzieherin, Kindergartenleiter Karsten Schmidt ist Kindheitspädagoge,  M. A., Hortleiterin Sarah Wenk ist Erzieherin mit Zusatzqualifikationen im Bereich Kita-Leitung sowie Hortpädagogik.

Weitere Mitarbeiter:innen in Verwaltung, Küche und Hausmeisterdienst sind selbstverständlich. Zusätzlich unterstützt wird das Team durch Mitarbeiter:innen aus der Kirchengemeinde. Je zwei bis drei Stunden wöchentlich arbeiten der Religionspädagoge und die Kirchenmusikerin mit den Kindern. Die Hortkinder nehmen an Angeboten der örtlichen Kinder- und Jugendarbeit teil. Nachdem im Jahr 2024 die Finanzierungslücke durch das BayKiBiG geschlossen wurde,

kann die Einrichtung die zusätzlichen Angebote auch finanzieren, obwohl die Kita nicht in München sitzt. (Anmerkung: Über die Münchner Förderformel war dies in München auch schon vor 2024 möglich.)

Der Träger legt viel Wert auf Ausbildung und Personalentwicklungsmaßnahmen. Praktikantenstellen, Supervision und Fortbildung sind selbstverständlich. Opti-Prax-Stellen sind vorhanden, und dual Studierende bekommen neben einem Gehalt auch die Studiengebühren übernommen. Der Schwerpunkt liegt in dem Bericht bei den Quereinsteiger:innen, die mit einer anderen formalen Qualifikation eine Karriere in der Kita starten.

 

Wie geht das mit den Quereinsteiger:innen?

Da ist zum Beispiel Stefan. Er ist 58 Jahre alt, Diplom-Kauf- mann und war bis vor drei Jahren in der Automobilindustrie im Bereich internationales Management beschäftigt. Er hat sich zunehmend die Sinnfrage in seiner bisherigen Tätigkeit gestellt. Seine Tätigkeit war stets von den Aktienkursen und den internationalen Märkten abhängig. Mit 55 hat er eine gute Abfindung ausgehandelt und eine Weiterbildung als Coach absolviert. Durch sein Enkelkind Max kam er auf die Idee, dass eine Tätigkeit in der Kita erfüllend sein könnte. Er wollte von seiner bisherigen Tätigkeit möglichst viel Abstand haben, also auch nicht die Themen mathematisch/technische Bildung bedienen. Deshalb hat er eine Tätigkeit in der Krippe bevorzugt. Sprachliche Bildung ist sein Steckenpferd, ob beim Wickeln, Essen oder Vorlesen, Stefan versprachlicht alles, gibt den Kindern viel Resonanz und sorgt für eine zuverlässige sichere Atmosphäre in der Krippe. „Irgendwie war Managersein doch auch gar nicht so unähnlich. Ich musste auch den ganzen Tag reden und zuhören, und bei den internationalen Partner:innen war es auch nicht immer ganz leicht, zu verstehen, was der andere will“, berichtet er schmunzelnd. Die dialogorientierte Bildungsunterstützung, wie im Qualitätskompass (IFP 2020) beschrieben, findet er fachlich sehr fundiert. Dass er jetzt nur einen Bruchteil seines vorherigen Gehalts verdient, stört ihn persönlich nicht. „Ich habe bereits alles, was ich brauche, aber gerechtfertigt sind diese Gehaltunterschiede nicht. Ich freue mich aber, dass ich nun eine Tätigkeit mit Sinn habe und nicht mehr durch die Welt fliegen muss. So kann ich Max besser aufwachsen sehen, das habe ich bei meinen Kindern verpasst.“ Im Team spielt Stefan eine wichtige Rolle. Er unterstützt das Team dabei, die Leistungen nach außen besser zu „verkaufen“. Da steckt doch der Kaufmann in ihm.

„In der Industrie achtet man auf eine positive Schauseite, die Darstellung nach außen ist in mir tief verankert. In der Kita wird so wertvolle und wichtige Arbeit gemacht. Das muss noch deutlicher dargestellt werden.“

Quereinsteigerkollegin Mia ist 35 Jahre alt. Sie ist Bauingenieurin und hat zehn Jahre bei einer großen Immobilienfirma gearbeitet. Nach Geburt ihrer drei Kinder wollte sie sich die Erziehungsarbeit mit ihrem Mann partnerschaftlich teilen, was aber in ihrem bisherigen Job nicht möglich war. So suchte sie nach einer beruflichen Neuorientierung. Die Kita vor Ort bot ihr durch das vom StMAS entwickelte Quereinsteigerprogramm die Möglichkeit, mit 30 Stunden/Woche in der Kita zu arbeiten und berufsbegleitend ein Qualifizierungsprogramm zu durchlaufen. Voraussetzung war für Mia, dass sie von Beginn an ein volles Gehalt als Fachkraft erhielt, um genügend zum Familieneinkommen beitragen zu können. Auch wenn es von manchen Kolleg:innen sehr kritisch gesehen wurde, dass sie genau so viel verdient wie jemand nach einer fünfjährigen Ausbildung oder einem fachspezifischen Studium, konnte sie beweisen, dass sich ihre Ausbildung zwar unterscheidet, aber für die Kita ebenso gewinnbringend ist. Anders als Stefan hat Mia durchaus Interesse daran, möglichst viele ihrer beruflichen Kompetenzen in die Kita einzubringen. Sie liebt es nach wie vor, „große“ Projekte zu entwickeln. Ihre Projektpartner:innen sind jetzt nicht mehr große öffentliche beziehungsweise private Auftraggeber:innen, Bauunternehmen, Handwerker:innen und Archtitekt:innen, sondern die Kinder. Es ist ihr dabei wichtig, möglichst viele Partner:innen aus dem Sozialraum miteinzubeziehen. „Kita-Arbeit ist eine richtige Großbaustelle“, so Mia, „die unterschiedlichen Bedürfnisse von Kindern, Eltern, Schule und Arbeitgebern in ein kindorientiertes Gesamtkonzept zu gießen ist ein kreativer und fachlich anspruchsvoller Prozess.“ Im Team ist Mia Spezialistin für kooperative Qualitätsentwicklung mit Schwerpunkt Kooperation und Vernetzung der Bildungsorte (Blickwinkel IV, Qualitätskompass).

Sophia ist 42 und gelernte Bäckermeisterin. Seit ihrer Kindheit war klar, dass sie im elterlichen Betrieb arbeiten und diesen auch übernehmen würde. Mit viel Freude hat sie dies auch 24 Jahre lang getan. Durch Corona und steigende Energiepreise konnte sich der Einzelbetrieb nicht mehr halten. Sophia verkaufte an eine Bäckereikette, bei der sie aber nicht selbst arbeiten wollte. Vielmehr sieht sie eine Berufung darin, Kinder in ihrer kreativen Schaffenskraft zu unterstützen, im gemeinsamen Tun die Selbstwirksamkeit der Kinder zu fördern und durch gesunde Ernährung zu einer nachhaltigen Lebensführung beizutragen. Sophia war sich zunächst nicht sicher, ob ihre persönlichen und beruflichen Kompetenzen in eine Kita passen. Sophia nahm deshalb gern das Angebot eines speziell für Kita-Fachkräfte entwickelten Assessment-Centers beim evKITA an. Zunächst hat sie in einem Onlinetool das Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung (BIP, Hossiep & Paschen, 2019) bearbeitet.

Das BIP ist ein psychologisches Testverfahren, das berufsrelevante Persönlichkeitsmerkmale systematisch erfasst und in der Onlineversion einen Ergebnisreport mit ausführlichen Persönlichkeitsbeschreibungen erstellt. Im zweiten Teil des AC wurden in Rollenspielen und mit videogestützten Fallbeispielen Feinfühligkeit, pädagogische Haltung und persönliche Präsenz, die für die Leitung von Kindergruppen unerlässlich ist, getestet. Die Ergebnisse zeigten, dass die beruflichen Persönlichkeitseigenschaften von Sophia gut zu einer Tätigkeit in der Kita passen. Sophia entschied sich daraufhin, direkt eine Tätigkeit als Fachkraft in der Kita aufzunehmen und berufsbegleitend an der modularen Qualifizierung zur anerkannten Fachkraft in Kitas teilzunehmen. Für Sophia ist in ihrer täglichen Arbeit die wertschätzende Atmosphäre wichtig. Sie achtet auf die emotionale Beziehung sowie die Wärme und den Respekt unter Kindern und Erwachsenen. Sie achtet besonders darauf, welches unterstützende, sichere und vorhersagbares Umfeld Kinder brauchen. Die Kinder erleben sie meist als zugewandt und emotional erreichbar. Sie bäckt aber auch mit den Kindern regelmäßig Brot und Brötchen, hin und wieder auch einen Kuchen. Irgendwie liegt immer der Duft nach frisch Gebackenem in der Luft, was das positive Klima auch sensitiv unterstützt.

Valentin und Lira sind mit 28 Jahren die jüngsten Quereinsteiger. Lira hat zunächst zwei Semester Rechtswissenschaften, dann Germanistik und Philosophie studiert. Valentin hat sein Informatikstudium nach zehn Semestern abgebrochen. Beide wurden durch die Onlinelehre während Corona aus dem erwünschten Studienleben gerissen. Irgendwie haben sie dann keinen Zugang zum wissenschaftlichen Arbeiten mehr gefunden und wollten jetzt etwas Konkretes tun. Durch die Berufsberatung wurden sie darauf hingewiesen, dass es nicht nur in der Industrie attraktive Traineeprogramme für Studienabbrecher:innen gibt, sondern auch in der Sozialwirtschaft und speziell in der Kita. Beide arbeiteten für ein Jahr als Ergänzungskraft, machten die Externenprüfung zur Kinderpflege, wechselten dann sofort in die berufsbegleitende Fachkraftqualifizierung und konnten dank der Experimentierklausel im BayKiBiG auch als Fachkräfte anerkannt und bezahlt werden. Beide studieren mittlerweile berufsbegleitend Sozialpädagogik. „Für mich war nach meinen frustrierenden Studienerfahrungen wichtig, dass ich etwas bewirken kann“, so Lira. „Kinder geben einem sofort Resonanz. Die Kinder haben mich mit ihrer Lernfreude angesteckt, sodass ich nun doch weiter studiere. Ich will mindestens noch fünf Jahre in der Kita arbeiten, danach könnte ich mir die Tätigkeit in einer Erziehungsberatung vorstellen.“ Valentin hat die Inhalte seines Erststudiums der Informatik mit der pädagogischen Arbeit verknüpft. Digitale Bildung, aber auch digitale Kommunikationsformen mit den Eltern sind sein Spezialgebiet im Team. Er plant nun eine Weiterbildung zum Mediencoach, damit auch andere Kitas von seiner Kompetenz profitieren können. Langfristig könnte er sich vorstellen, mit Jugendlichen oder Erwachsenen zu arbeiten. Das Studium der Sozialpädagogik bietet jetzt beiden Quereinsteiger:innen berufsbiografisch angepasste Karrieremöglichkeiten.

 

Sprachfachkräfte wurden zu Praxismentor:innen

Auf die Frage an das Leitungsteam, wie sie es schaffen, so unterschiedliche Menschen zu funktionierenden Teams zu entwickeln, sagen die Praxismentor:innen: „Im Dezember 2022 ist das erfolgreiche Programm der Sprach-Kitas ausgelaufen. Wir hatten in der Krippe und im Kindergarten eine zusätzliche Sprachfachkraft, die das Team in allen Fragen der sprachlichen Bildung unterstützt hat“, so Krippenleitung Hannah Klein. „Als das Projekt so unerwartet nicht mehr finanziert wurde, konnten wir mit dem Bürgermeister eine zweijährige Übergangsfinanzierung aushandeln. Wir haben dann das Konzept weiterentwickelt. Aufgrund der Situation, dass wir uns für Quereinsteiger:innen öffnen und gleichzeitig an pädagogischer Qualität gewinnen wollten, war es uns wichtig, dass wir Personen im Team haben, die sich explizit um die pädagogische Qualität kümmern. Insbesondere bei den Quereinsteiger:innen, aber auch bei solch großen Teams gibt es sehr unterschiedliche pädagogische Vorstellungen, die miteinander diskutiert werden müssen.

Wir haben jetzt für Krippe, Kindergarten und Hort je zwanzig Stunden pro Woche für unsere Praxismentor:innen. Seit 2024 wird dies vom Land Bayern finanziert, weil wir mit Quereinstei- ger:innen arbeiten. Die Befürchtung, dass die pädagogische Arbeit nichts mehr wert ist, wenn Menschen aus anderen Berufen bei uns arbeiten, hat sich nicht bestätigt. Ganz im Gegenteil, wir konnten unser pädagogisches Profil schärfen. Wir werden durch die Diskussionen im Team auch ständig geschult, zu begründen, warum wir was tun. Das hat die Pädagog:innen anfangs ganz schön herausgefordert. Aber die Prozesse wurden regelmäßig durch die Pädagogische Qualitätsbegleitung (PQB) auch noch von außen unterstützt und wir bekamen regelmäßig Feedback, wie sich unsere pädagogische Qualität weiterentwickelt.“

„Das war extrem hilfreich“, so Kindergartenleiter Karsten Schmidt. „Solche großen Veränderungsprozesse schafft eine Organisation nicht aus sich selbst heraus.“ Hortleiterin Sarah Wenk fühlt sich durch die Praxismentor:innen gut unterstützt. „Leitungsteam und Mentor:innen arbeiten Hand in Hand, um so ein großes Bildungshaus zusammenzuhalten.“

 

EckpunktefürsGelingen

  • Kompetenzorientierung versus Abschlusshörigkeit
    Gerade in Bildungsorganisationen, wie in den klassischen akademischen Arbeitsfeldern, wird häufig die Höhe der Professionalität mit der Länge an (hoch-) schulischer Ausbildung gleichgesetzt. Während in großen Teilen der Wirtschaftsunternehmen duale Ausbildungen und Studiengänge sowie die Auswahl geeigneter Personen über Assessment-Center laufen, werden im Bildungsbereich weiterhin Studienzugänge und Karrieremöglichkeiten über Zeugnisse und Noten sowie durch die richtige „Fächerkombination“ bestimmt. Wenn es gelingt, diese „Ideologie“ zu hinterfragen und neue Personalentwicklungskonzepte zu erproben, werden auch neue Personengruppen für die frühkindliche Bildung gefunden.
     
  • Ausweitung des Fachkraftbegriffs versus Auffüllung von unten
    Bei der derzeitigen Diskussion um Quereinsteiger:innen wird meist hierarchisch gedacht. Wer keine sozialpädagogische Ausbildung hat, muss im Assistenz- oder Ergänzungskraftmodell beginnen und sich dann hocharbeiten oder die Ausbildung absolvieren. Das wird aber nur für Menschen attraktiv sein, die wenige andere Möglichkeiten haben. Wenn wir die Besten für die Kitas wollen, dann ist zumindest eine sofortige Vergütung auf dem Niveau einer Fachkraft notwendig, sofern das DQR- 6-Niveau mit einer anderen Ausbildung erreicht wurde.
  • Kompetenzmessung – neue Formen der Personalaus- wahl entwickeln
    Um es gleich vorwegzunehmen, nicht jede:r ist geeignet, in einer Kita zu arbeiten. Es braucht ganz spezifische persönliche und fachliche Voraussetzungen. Bei der Auswahl von Kita-Personal sollten wir die gleiche Sorgfalt walten lassen wie in der Auswahl von Führungskräften in einem DAX-Unternehmen. Durch Forschung in der Frühpädagogik in den vergangenen zwanzig Jahren können wir heute sehr genau beschreiben, welche Kompetenzen notwendig sind. Gerade bei Quereinsteiger:innen wäre eine differenzierte Auswahl durch modifizierte Formen von Assessment-Centern zu entwickeln. Durch gezielte Coachingangebote könnte dann auch an den individuellen Stärken und Schwächen gearbeitet werden, anstatt alle jenseits der vierzig durch die gleichen Schulungen zu ziehen – von Basisschulungen mal abgesehen. Mit dem PQB-Qualitätskompass liegt ein hervorragendes Instrument zur Beobachtung und Reflexion von Interaktionsqualität vor. Dies könnte zu einem Einschätzungsinstrument und mit bestehen- den Diagnostikinstrumenten aus der Personalauswahl weiterentwickelt werden.
     
  • Fachkarriere für Pädagog:innen
    Unbestritten nimmt bei multiprofessionellen Teams die Verantwortung für die primär pädagogischen Prozesse für die sozial- und kindheitspädagogischen Fachkräfte zu. Das Verständnis der Frühpädagogik darf nicht aufgeweicht werden. Zu zart sind an dieser Stelle noch die Erfolge frühpädagogischer Professionalisierung.
    Kinder sind verletzlich, wir brauchen die Hüter:innen für Beziehungs- und Bildungsqualität wie den Ingenieur für Kernkraft in einem Kernkraftwerk. Im Modell Sprach- Kitas wurde am Beispiel der Sprachfachkräfte erstmals entwickelt, wie Fachkarrieren in der Kita funktionieren können. In multiprofessionellen Teams sind diese „Praxismentor:innen“ unerlässlich.
     
  • Drei Säulen der beruflichen Qualifikation: Ausbildung, Hochschule, Weiterbildung
    Einen wesentlichen Gelingensfaktor stellt die Anerkennung unterschiedlicher Wege in der Qualifikation dar. Die „klassische“ Ausbildung zum Erzieher/zur Erzieherin, praxisintegrierte Ausbildungsformen, ein (duales) Studium an Hochschule oder Universität wie auch der Weg über berufsbegleitende Weiterbildungen müssen gleichermaßen anerkannt sein. In allen drei Ausbildungs- formen kann es gelingen, hervorragende Fachkräfte zu gewinnen. Je flexibler unsere Arbeitswelt und die Bedürfnisse der Generation Z werden, desto individueller müssen auch Ausbildungswege sein. Alle Ausbildungswege müssen kostenfrei sein, Ausbildungsvergütungen und bei Quereinsteiger- und Traineeprogrammen attraktive Gehälter müssen für Träger finanzierbar sein.

Literatur

  • Hossiep, R., & Paschen, M. (2003). Das Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung: BIP. Hogrefe, Verlag für Psychologie.
  • Wertfein, M., Kofler, A., Kieferle, C., Paulsteiner, R., Nestmeier, S., Reichert-Garschhammer, E., Becker-Stoll, F. (2020). PQB – Qualitätskompass: Instrument zur Beobachtung und Reflexion der Interaktionsqualität in Kindertageseinrichtungen, Staatsinstitut für Frühpädagogik (IFP).

 

Christiane Münderlein

Vorständin Bildung und Soziales beim Evangelischen KITA-Verband Bayern

 

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