PQB-Impuls: Verschiedene Ebenen der Partizipation – entscheidend ist, was beim Kind ankommt

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Kinder haben ein Recht auf Beteiligung, das ist in Kitas breiter Konsens. Wie das zuverlässig in der Praxis umgesetzt werden kann, v.a. wenn so oft die Belastungsgrenzen erreicht werden, ist nicht so einfach zu beantworten.

Strukturen wie regelmäßige Kinderkonferenzen können Routinen etablieren. Die greifen, jedoch zu kurz, wenn Partizipation auf das „Abstimmen mit Muggelsteinen“ reduziert wird, ansonsten jedoch adultistisches Verhalten das Miteinander prägt. 
Die Haltung der Fachkräfte spielt zweifellos eine zentrale Rolle, prägt sie doch deren spontanen Reaktionen in ungeplanten Situationen. Haltung alleine ist jedoch auch nicht ausreichend, wenn nicht auch entsprechendes Handeln in der Praxis verankert wird oder wenn methodische Kompetenzen fehlen. Entscheidend ist schließlich, was beim Kind ankommt und welche Erfahrungen Kinder in Kitas machen.

Partizipation ist vielschichtig und komplex
Rebekka Bendig (2008) hat mit ihrem Partizipationsdreieck Haltung, Struktur und Methode differenziert. In Anlehnung daran beschreibt Eva Reichert-Garschhammer (2020) die drei Gelingensfaktoren Haltung, Struktur und Interaktion, um Kinderrechte und Partizipationskultur in der Kita zu etablieren. Diese erinnern an die Dimensionen pädagogischer Qualität und betonen damit die Vielschichtigkeit von Partizipation.

Die persönliche Haltung lässt sich nicht einfach von außen ändern. Aber neue Erfahrungen, die z.B. durch neue Strukturen gemacht werden, ermöglichen eine Veränderung der eigenen Einstellungen und Überzeugungen (vgl. Knauer, 2019).
Wenn bestimmte Strukturen, wie z.B. Dialogrunden oder Kinderkonferenzen in Kitas etabliert werden, bleibt es dennoch notwendig, auch in den alltäglichen Interaktionen zwischen Fachkräften und Kindern auf partizipationsförderndes Verhalten zu achten: Werden bestimmte Notwendigkeiten erklärt oder transparent gemacht? Wie reagieren Fachkräfte auf konkrete Willensäußerungen oder Beschwerden? 
Für Kinder ist es bedeutsam, dass ihre Botschaften gehört und Bedürfnisse gesehen werden. Hierfür braucht es auch Dialoge, Aushandlungen und Prozessorientierung (vgl. Diakonie, Jedi-Ritter auf dem Altar) sowie die entsprechende Bereitschaft von Fachkräften, sich auf diese Wege einzulassen. 
Wird der Gestaltungsspielraum von Fachkräften z.B. durch Personalausfälle reduziert, besteht das Risiko, dass Kinder wieder stärker zu bloßen Empfängern von (durchaus gut gemeinten) pädagogischen Absichten werden.

Systematik als Instrument zur Reflexion
Für die Praxis können Modelle (z.B. auch die Stichpunkte Haltung, Interaktion, Struktur) eine übersichtliche und hilfreiche Systematik bieten, um verschiedene Ebenen der Partizipation differenziert zu reflektieren.
Im Frühling beleuchteten wir in einem Workshop die (mitunter herausfordernde) Aufräumsituation in Kitas und bearbeiteten u.a. folgende Fragen:

Haltung

  • Welche Haltung ist im Sinne der Partizipation förderlich?
  • Welche eigenen Werte oder biografischen Erfahrungen prägen die Erwartungen?

Interaktionen

  • Welche Interaktionen erleichtern Kooperation und aktive Beteiligung der Kinder?
  • Wie kann ein Dialog initiiert werden?
  • Müssen Regeln erläutert oder ausgehandelt werden oder ist ein Konflikt zwischen Kindern zu moderieren?

Strukturen

  • Welche Strukturen gibt es in der Kita, um gemeinsam über das Thema Aufräumen zu beraten?
  • Wie wird mit Beschwerden verfahren?
  • Wie können Teamvereinbarungen über Zuständigkeiten, Regeln und Ausnahmen getroffen und überprüft werden?

Der Charme liegt darin, dass gleichermaßen konkrete Situationen aus dem Alltag, wie auch generell die Atmosphäre und Praxis der Partizipation in einer Einrichtung reflektiert werden können.
Egal ob ein kurzes Brainstorming im Gruppenteam, mit mehr Zeit und Tiefgang in einer Teamsitzung oder bei der Überarbeitung der Konzeption – die Systematik lässt sich vielseitig einsetzen.

Häufig ist nicht die eine richtige Antwort zu benennen, was naheliegend ist, weil pädagogische Situationen „einzigartig, unvorhersehbar und widersprüchlich sind“ (Deutsches Institut für Menschenrechte et al., 2017, S. 5). Und doch lassen sich, besonders in gemeinsamen Gesprächen, verschiedene Ansätze zur aktiven Beteiligung von Kindern in den Blick nehmen und so die Handlungsfähigkeit von Fachkräften erweitern. Gerade diese Handlungsfähigkeiten und Gestaltungsmöglichkeiten sind es schließlich, die unter Stress so schnell eingeengt und geringer werden. 

Was bei Kindern ankommt

Spannend ist auch die Frage, wie Kinder Aspekte der verschiedenen Ebenen wahrnehmen. Die Haltung selbst ist nur mittelbar erfahrbar, prägt aber die Atmosphäre und das Klima in der Einrichtung. Interaktionen mit Fachkräften erleben Kinder täglich und können sich auch dazu äußern, ebenso zu Ihren Mitbestimmungs- und Beschwerdemöglichkeiten in der Kita, die für alle verbindlich gelten. Dieser Perspektivwechsel unterstreicht, dass Partizipation erst dann gelingt, wenn sie für Kinder direkt erfahrbar wird und sie auch um ihre Beteiligungsrechte wissen.

 

Eine Übersicht der verschiedenen Ebenen der Partizipation finden Sie hier in einer pdf-Datei zusammengestellt. 

 

Literatur

  • Bendig, R. (2008). Partizipation beginnt in den Köpfen der Erwachsenen. In Serviceagentur Ganztag (Hrsg.), Forum Ganz Gut, Partizipation, 5, 12-19. Potsdam.
  • Deutsches Institut für Menschenrechte, Deutsches Jugendinstitut e.V., MenschenRechtsZentrum an der Universität Potsdam & Rochow-Museum und Akademie für bildungsgeschichtliche und zeitdiagnostische Forschung e.V. an der Universität Potsdam (Hrsg.). (2017). Reckahner Reflexionen zur Ethik pädagogischer Beziehungen. Verfügbar unter https://paedagogische-beziehungen.eu/leitlinien/
  • Diakonie Deutschlang (Hrsg.). (2019). Darf der Jedi-Ritter auf den Altar? Demokratiebildung aus evangelischer Perspektive. Eine Handreichung für Kita-Fachberatungen. Verfügbar unter https://www.diakonie.de/diakonie_de/user_upload/diakonie.de/PDFs/Publikationen/P200094_Arbeitshilfe_Demokratiebildung_Kita_201218_final.pdf
  • Knauer, R. (2019). Partizipativ denken und handeln. Kapitel 4.2 im Onlinekurs Mitentscheiden und Mithandeln. Verfügbar unter https://www.youtube.com/watch?v=JLAH3CFATTg
  • Reichert-Garschhammer, E. (2020). Inklusion, Partizipation und offene Arbeit. [unveröffentlichte Präsentation für PQB]. München: IFP.

 

Der Beitrag wurde verfasst von Matthias Kolm, PQB beim evKITA. 



Dieser kurze Impuls soll Ihnen einen konkreten Eindruck vermitteln, an welchen Themen und mit welchen Methoden Sie mit Ihrer/m PQB arbeiten können.

Dieses Projekt wird aus den Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit, Familie und Soziales gefördert.

 

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