„Umgang mit Absentismus“ und wie „Identity Leadership“ helfen kann Absentismus zu vermeiden - Das war das Leitthema des 13. Kongresses für psychodynamisches Coaching an der Universität Kassel. Christiane Münderlein (evKITA-Vorständin) und die Koordinatorinnen des „evKITA-Beratungsnetzes“ (Cornelia Blendinger und Veronika Dornheim) waren gemeinsam unterwegs, um Inspirationen für die evKITA-Berater:innen einzusammeln.
„Beschäftigte in der Kinderbetreuung und -erziehung waren im Jahr 2023 durchschnittlich an knapp 30 Tagen arbeitsunfähig, gegenüber rund 20 Tagen bei allen Berufsgruppen.“ [1]
Diese Zahlen sind erschreckend, haben uns jedoch nicht überrascht, sondern decken sich mit unseren Erfahrungen. Regelmäßig berichten unsere Berater:innen von ausgefallenen oder verschobenen Terminen aufgrund von fehlendem Personal. Es stellt sich die Frage, welche Rolle dabei die widersprüchliche Sehnsucht nach Rückzug und Für-Sich-Sein auf der einen Seite und Resonanz und Gemeinschaft auf der anderen Seite spielt.
Es gab auf dem Kongress vielfältige Möglichkeiten, sich mit diesen Fragen auseinander zu setzen. Spannend war hier, dass laut Prof. Dr. Claas Lahmann ein Teil der Fehlzeiten des Personals beeinflussbar ist, da sich Abwesenheit insgesamt aus ´nicht arbeitsfähigem` und aus ´nicht motiviertem` Fehlen zusammensetzt. Motivational bedingte Abwesenheit bezeichnet man in der Arbeits- und Organisationspsychologie als Absentismus. Dieses Schlagwort zog sich dann auch als roter Faden durch den gesamten Kongress.
Faktoren für Arbeitszufriedenheit
„Was Menschen glücklich machen kann, ist das, was sie tun. Was sie meistens sauer macht, sind die Umstände, unter denen sie es tun müssen.“, so der Arbeitspsychologe Frederick Herzberg. [2]
Was also sorgt dafür, dass Menschen ihre Arbeit gerne machen?
Herzberg hat zwei wesentliche Faktoren bezüglich der sogenannten Arbeitszufriedenheit herausgearbeitet. Neben Hygienefaktoren spielen hier vor allem die Motivationsfaktoren eine große Rolle. Zu den Hygienefaktoren zählen z.B. das Gehalt, die Sicherheit des Arbeitsplatzes und das Betriebsklima. Bei den Motivationsfaktoren stehen z.B. der wahrgenommene Erfolg der Arbeitsleistung, die Anerkennung für die eigene Leistung und die Möglichkeiten des persönlichen Wachstums im Vordergrund.
Identity Leadership
Auf dieser Grundlage baut auch der moderne Ansatz der identitätsorientierten Führung („Identity Leadership“) auf, der sich aus folgenden vier Dimensionen zusammensetzt:
- Führungsperson wird von der Gruppe als „eine von uns“ gesehen
- Führungsperson setzt sich für die Gemeinschaft ein und vertritt die gemeinsamen Interessen nach Außen
- Führungsperson schärft über ein gemeinsames Verständnis die Identität der Gruppe
- Führungsperson schafft Rahmenbedingungen für die Teamarbeit und macht gemeinsame Identität erlebbar
Die identitätsorientierte Führung zielt auf den Aufbau und die Stärkung eines gemeinsamen Wir-Gefühls als wesentlichen Faktor der Arbeitszufriedenheit ab. Diverse Studien belegen, dass stressige Situationen bei einem höheren Wir-Gefühl bzw. bei einer höheren Identifikation mit dem Team weniger bedrohlich wirken und besser verarbeitet werden können. Der Mehrwert eines solchen Wir-Gefühls liegt damit offen auf der Hand. In einem Arbeitsbereich, der tägliche Herausforderungen mit sich bringt, kann die identitätsorientierte Führung ein Betriebsklima schaffen, in dem durch das Zugehörigkeitsgefühl mehr soziale Unterstützung durch Kolleg:innen erfahren und angeboten wird. Daraus kann eine höhere kollektive Selbstwirksamkeit entstehen, und schlussendlich kann auch die Wahrscheinlichkeit, ein Burnout zu erleiden, reduziert werden.
Führung als Systemleistung
Dabei hat es die Führungskraft nicht alleine in der Hand, wie stark sich Einzelne im Team angebunden fühlen. Es obliegt jedoch der Führungskraft, wie sie mit den Abwesenheiten von Mitarbeitenden umgeht.
Versucht die Führungsebene, die individuellen Gründe hinter dem Absentismus zu entdecken und passende Lösungsangebote im Miteinander auszuloten? Dann wird Führungsstärke nicht zum Merkmal einer Person, sondern zum Ausdruck eines Beziehungsgeschehens. Die Beziehungsgestaltung zwischen den Geführten und dem Führenden rückt dadurch in den Fokus der Betrachtung. Die Arbeitszufriedenheit und die Anbindung an den Arbeitgeber sind somit nicht einseitig im Sinne einer Kausalität zu verstehen, sondern Führung wird zur Leistung eines sozialen Systems im Gesamten.
Das bedeutet letztlich:
- Es ist wichtig Absentismus zu erkennen – in Abgrenzung zu Abwesenheit bzw. Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit.
- Es braucht die Suche nach Ursachen, die im Einzelfall hinter dem Absentismus stehen
- Ein professioneller Umgang zeigt sich durch eine gemeinsame Lösungssuche und das Ausloten hilfreicher Angebote.
- Wie kann der Ansatz der identitätsorientierten Führung helfen, Menschen wieder anzubinden? Hier lohnt es sich weiterzudenken.
Cornelia Blendinger und Veronika Dornheim - Koordinatorinnen des „evKITA-Beratungsnetzes“
[1] https://www.bertelsmann-stiftung.de/en/themen/aktuelle-meldungen/2024/august/dramatisch-hohe-krankheitsausfaelle-beim-kita-personal-erfordern-antwort-der-politik#:~:text=Besch%C3%A4ftigte%20in%20der%20Kinderbetreuung%20und,Westdeutschland%20mit%20knapp%2029%20Tagen.2
[2] Zitiert nach Lahmann, Class (2025, 2. Auflage): Wie Arbeit glücklich macht und wann man darüber nachdenken sollte, den Job zu wechseln, S.7