Entwicklungen in der Kita-Finanzierung

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Mit dem Beschluss des Gute-Kita-Gesetzes, der Ausweitung des Beitragszuschusses für die gesamte Kindergartenzeit...

Mit dem Beschluss des Gute-Kita-Gesetzes, der Ausweitung des Beitragszuschusses für die gesamte Kindergartenzeit sowie der Einführung eines Bayerischen Krippengeldes hat die Kita-Finanzierung eine große Aufmerksamkeit in der gesellschaftlichen Debatte erfahren. Aber die Versprechen erweisen sich in der Praxis als zu groß, die Ergebnisse sorgen an vielen Stellen für Enttäuschungen. Es ist Zeit, einen nüchternen Blick auf die Fragen der Kita-Finanzierung zu werfen.

Die gesetzliche Förderung gemäß dem BayKiBiG1
Wichtigster Faktor der Förderung gemäß dem Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz (BayKiBiG) ist der Basiswert. Dieser Basiswert wird jedes Jahr entsprechend der tariflichen Erhöhung auf der Grundlage des Tarifvertrags des öffentlichen Dienstes der Kommunalverwaltung (TVöD VKA) für den Sozial- und Erziehungsdienst (SuE) angepasst.
Häufig ist die Aussage zu hören, dass die Erhöhungen nicht den tatsächlichen Kostensteigerungen entsprechen. Um diese Aussage bewerten zu können, ist ein Blick in die Geschichte des Gesetzes zu werfen: Als im Jahr 2005 das BayKiBiG wirksam wurde, fand damit auch eine Umstellung der Systematik in der Kita-Finanzierung statt. Während vorher das Prinzip der Personalkostenförderung galt, gibt es nun eine kindbezogene Förderung. Die Gesamtförderhöhe wurde dabei nicht verändert. Die Personalkostenförderung vor 2005 war eine Pauschalförderung, die 80 % der Personalkosten ausmachte und jeweils hälftig vom Freistaat und von den Kommunen geleistet wurde. Alle weiteren Betriebskosten einer Kita waren nicht Gegenstand der Förderung. Mit der Einführung der kindbezogenen Förderung besteht abrechnungstechnisch kein Bezug mehr zu den Personalkosten. Lediglich für die Anpassung des Basiswerts werden die Personalkostenentwicklungen in Form der Tarifentwicklungen des TVöD VKA als Grundlage herangezogen.

Kirchliche und diakonische Träger haben zu beachten, dass die Entwicklungen des TVöD und der DiVO beziehungsweise der AVR nicht immer synchron verlaufen. Über einen längeren Zeitraum betrachtet, heben sich Differenzen dann aber in der Regel wieder auf. Bei der Betrachtung der Personalkosten sind immer auch die Entwicklung der Lohnnebenkosten zu berücksichtigen. Vergleicht man die Sozialversicherungsbeiträge (Renten-, Kranken-, Arbeitslosen- und Pfegeversicherung), so lag im Jahr 2005 der Gesamtbeitragssatz bei 41,9 %, im Jahr 2019 beträgt er 39,65 %.2 Während es bei den regulären Sozialversicherungsbeiträgen zu einer leichten Entlastung gekommen ist, sind in Kirche und Diakonie die Kosten für die betriebliche Altersversorgung der Evangelischen Zusatzkasse (EZVK) durch Sanierungsgeld beziehungsweise Zusatzbeiträge tatsächlich gestiegen.
In den Jahren 2013 und 2014 wurde der staatliche Anteil des Basiswerts durch den Freistaat überdurchschnittlich erhöht, um damit die Verbesserung des Mindestanstellungsschlüssels auf 1:11,0 zu finanzieren. Im Jahr 2015 gab es eine weitere Erhöhung des Basiswerts (dieses Mal des kommunalen und des staatlichen Anteils), um fnanzielle Spielräume für qualitative Maßnahmen zu schaffen.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Förderung gemäß dem BayKiBiG nur einen Teil der Betriebskosten abdeckt. „Ein Fünftel der Personalkosten sowie die weiteren Betriebskosten wie zum Beispiel Kosten für Hauswirtschaftspersonal, Versicherungen, Tilgung, Bürokosten, Gebäudeinstandsetzung wurden und werden von der gesetzlichen Förderung nicht erfasst. Je nach Betreuungsform und Auslastung muss deswegen ein freigemeinnütziger oder sonstiger Träger einer Kindertageseinrichtung nach Abzug der gesetzlichen kommunalen Leistung im Schnitt noch etwa 40 % der Gesamtbetriebskosten decken.“3

Die Verantwortung der Kommunen
Artikel 28 des Grundgesetzes sichert den Kommunen ihr Selbstverwaltungsrecht. In Artikel 57 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern sind die Pfichtaufgaben für die baye- rischen Kommunen festgelegt: Dazu gehört neben Aufgaben wie zum Beispiel Bau und Unterhalt von Gemeindestraßen, Brandschutz und Abfallwirtschaft auch der Betrieb von Kindertageseinrichtungen. Dabei haben die Kommunen das Subsidiaritätsprinzip einzuhalten, das in § 4 SGB VIII geregelt ist und die Grundlage für die Unterstützung und Förderung von Trägern der freien Jugendhilfe festschreibt.

Die Kommunen in Bayern haben also das Recht und die Pficht, Träger von Kindertageseinrichtungen zu unterstützen und zu fördern beziehungsweise selber Kitas zu betreiben. Wie sie diese Aufgaben wahrnehmen und welche Bedeutung sie ihr zukommen lassen, liegt im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben in ihrem eigenen Ermessen. Konkret auf die Kita-Fi- nanzierung bezogen bedeutet das, dass Kommunen selber darüber entscheiden, ob und in welcher Höhe sie zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen, die die nicht von der gesetzlichen Förderung gedeckten 40 % der Betriebskosten fnanzieren.

In Bayern ergibt sich so ein sehr unterschiedliches Bild, wie Kindertageseinrichtungen fnanziell aufgestellt sind. Ungefähr zwei Drittel der bayerischen Kommunen stellen freiwillige Leistungen für Kitas zur Verfügung, circa ein Drittel aber auch nicht.4 Und wenn 40 % der üblicherweise anfallenden Betriebskosten nur durch Trägeranteile und Elternbeiträge zu decken sind, so ist völlig klar, dass sich diese fnanzielle De- ckungslücke auch in der Qualität bemerkbar machen muss.

Nun könnte man einfach fordern, dass der Freistaat im BayKiBiG Qualitätsstandards festlegt, die den gestiegenen Anforderungen entsprechen. Dann ist aber zu bedenken, dass die damit verbundenen Maßnahmen auch alleine durch den Freistaat zu finanzieren sind, wenn mit den Kommunen keine Einigung dazu vereinbart werden kann. Denn das in Artikel 83 Absatz 3 der Bayerischen Verfassung festgelegte Konnexitätsprinzip legt fest, dass der Freistaat einen entsprechenden finanziellen Ausgleich zu schaffen hat, wenn er „besondere Anforderungen an die Erfüllung bestehender oder neuer Aufgaben“ stellt.

Leider ist festzustellen, dass die in den letzten Jahren vom Freistaat zusätzlich zur Verfügung gestellten Mittel nur zu einem Teil in den Einrichtungen und damit bei den Kindern angekommen sind. Vielmehr scheinen diese Mittelerhöhungen zu einer Entlastung der Kommunen geführt zu haben, deren Pflichtaufgabe es eigentlich wäre, für die Finanzierung zu sorgen. So trägt der Freistaat mittlerweile 54 % der gesetzlichen Fördersumme, während die Kommunen lediglich für 46 % aufkommen. 2005 lagen die Anteile noch bei 39 % (Freistaat) und 61 % (Kommunen).5

Diese Entwicklung macht deutlich, dass die Kita-Finanzierung als kommunale Pflichtaufgabe (im Durchschnitt) nur einen geringen Stellenwert aufweist. Aber ist der Betrieb von Kindertageseinrichtungen unwichtiger als der Bau von Straßen oder die Abfallbeseitigung? Die anstehenden Kommunalwahlen im März 2020 sind ein guter Anlass, Verantwortliche in der Kommunalpolitik an ihre Verantwortung für die Kita-Finanzierung zu erinnern.

Das Gute-Kita-Gesetz
Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Verbesserung der Teilhabe in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespfege (KiQuTG), besser bekannt als Gute-Kita-Gesetz, will der Bund gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland fördern, die Qualität von Kitas weiterentwickeln und Eltern bei den Beiträgen entlasten.
Das Gesetz hat leider mindestens drei „Geburtsfehler“: So wurde noch zum Ende des Gesetzgebungsverfahrens das Ziel mit aufgenommen, Eltern bei den Beiträgen zu entlasten. Damit werden wesentliche Mittel dem eigentlich vorgesehenen Ziel der Qualitätsentwicklung entzogen. Außerdem sieht das Gesetz lediglich bis zum Jahr 2022 vor, Bundesmittel bereitzustellen. Und nicht zuletzt sind die Finanzmittel, die für die Umsetzung zur Verfügung stehen, viel zu gering, um dem selbst gesetzten Anspruch zu genügen.
Die fachpolitischen Diskussionen, die im Rahmen der Erarbeitung des KiQuTG geführt wurden, haben den Bedarf an einer Weiterentwicklung der Qualität von Kitas deutlich gemacht und bei Trägern und Fachkräften entsprechende Erwartungen geweckt. Die Ergebnisse enttäuschen.

Auch der Freistaat Bayern hat sich dem bundesweit erkennbaren Trend angeschlossen, der Unterstützung der Eltern bei den Beiträgen Vorrang vor eine Weiterentwicklung der Qualität von Kitas zu geben. Als Qualitätsmaßnahmen bleiben zwei Richtlinien übrig, mit denen Stellen für Assistenzkräfte gefördert und Kita-Leitungen gestärkt werden sollen. Die Schaffung von Stellen für Assistenzkräfte halten wir für keine geeignete Maßnahme, um die Qualität zu verbessern. Und die tatsächlich wichtige Maßnahme der Stärkung von Leitungen ist nicht ausreichend finanziell ausgestattet.

Elternbeiträge und Beitragsunterstützung
Evangelische Träger sind sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst und haben sich stets bemüht, die Elternbeiträge gering zu halten. Dennoch sind auch Elternbeiträge regelmäßig anzupassen, um die Kostensteigerung der von der Förderung nicht gedeckten Betriebskosten auszugleichen. Die derzeitige bayerische Staatsregierung hat Maßnahmen zur Beitragsentlastung der Eltern eine hohe Priorität gegeben. Angesichts der Herausforderungen des weiteren quantitativen Ausbaus, des sich verstärkenden Fachkräftemangels und
der notwendigen qualitativen Weiterentwicklungen halten wir diese Prioritätensetzung für falsch. Und es ist widersprüchlich, wenn in politischen Diskussionen die familienpolitischen Maßnahmen gerühmt werden und gleichzeitig die Verantwortung für die qualitative Entwicklung den Trägern und den Eltern zugeschoben wird.

Perspektivische Überlegungen
Die Befristung des Gute-Kita-Gesetzes ist aufzuheben. Der Bund hat mit dem Beschluss des Gesetzes eine Verantwortung übernommen, die nicht einfach nach ein paar Jahren wieder erlischt. Außerdem ist das Gesetz so weiterzuentwickeln, dass es seinem Namen gerecht wird und echte Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung finanziert werden.
Den Kommunen kommt eine Schlüsselstellung in der Kita-Finanzierung zu. Hier wird entschieden, welche Bedeutung
die ihnen zugeschriebene Pflichtaufgabe hat. Diese Frage ist insbesondere auch im bevorstehenden Kommunalwahlkampf zu thematisieren. Der Bayerische Städtetag und der
Bayerische Gemeindetag haben sich in den Beratungen zum Doppelhaushalt 2019/2020 des Freistaats Bayern gegen eine Ausweitung der Beitragsentlastungen der Eltern und für eine Weiterentwicklung der Qualität ausgesprochen. Gleichzeitig haben sie aber auch – zumindest öffentlich – keine Bereitschaft zu einer Mitfinanzierung von qualitätsverbessernden Maßnahmen erkennen lassen. Nicht einmal eine Absenkung des empfohlenen Anstellungsschlüssels war konsensfähig.
Nun liegt der Ball bei den Kommunen, zu zeigen, was ihnen die frühkindliche Bildung wert ist.
Es ist aber auch klar, dass die Verantwortung der Kommunen für die Kita-Finanzierung nicht zielführend ist, um bayernweit die Lebensverhältnisse anzugleichen. Es ist anzuerkennen, dass Kommunen in Regionen mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten nur einen eingeschränkten Handlungsspielraum haben. Aber gerade in diesen Regionen ist es wichtig, dass Kinder mit guten Bildungschancen aufwachsen.
Es muss das Ziel sein, bayernweit die Lebensverhältnisse in der frühkindlichen Bildung anzugleichen. Dafür benötigen wir gute qualitative Standards, die den steigenden Anforderungen gerecht werden. Die Aufgabe, diese Standards zu setzen, muss das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz wahrnehmen.

Dirk Rumpff
ist Vorstand Recht und Finanzen beim Evangelischen KITA-Verband Bayern.

1 vgl. Hans-Jürgen Dunkl, Förderung durch den Basiswert, in: KiTa aktuell Bayern 5/2019, S. 112 ff.    
2 vgl. www.sozialpolitik-aktuell.de/finanzierung-datensammlung.html, Beitragssatzentwicklung in den Sozialversicherungen 1970 bis 2019
3 Dunkl, Förderung durch den Basiswert, ebd.
4 vgl. Hans-Jürgen Dunkl/Dr. Hans Eirich, Bayerisches Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz mit Kinderbildungsverordnung, Kommentar, 6. Auflage, Wiesbaden 2018, S. 21
5 Dunkl, Förderung durch den Basiswert, ebd.

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