Eine höhere gesetzliche Kita-Finanzierung – eine volkswirtschaftliche Notwendigkeit

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Eine Anhörung im Sozialpolitischen Ausschuss des Bayerischen Landtages im Juli 2024 hat deutlich gezeigt: Der gesetzliche Förderanteil an der Kita-Finanzierung muss auf 90 % angehoben werden. Bislang deckt die gesetzliche Kita-Finanzierung im Durchschnitt nur ca. 60 % der Betriebskosten, die restlichen 40 % sind durch Elternbeiträge, freiwillige kommunale Leistungen und Trägeranteile zu finanzieren. Doch macht eine solche grundlegende Veränderung im Finanzierungssystem gesellschaftlich und volkswirtschaftlich Sinn?

Die Antwort ist eindeutig: Ja!

Eine Zusammenstellung verschiedener volkswirtschaftlicher und bildungsökonomischer Studien und Positionen veranschaulicht dies. Prof. Dr. Katharina Spieß, seit 2021 Direktorin des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung, zeigt in ihren Untersuchungen sehr deutlich die positiven Effekte einer guten frühkindlichen Bildung für die gesamte Gesellschaft auf.

»Eine qualitativ gute Kita ist für die Entwicklung von Kindern von großer Bedeutung. Bildungsökonomische Studien zeigen, dass insbesondere Kindern aus sozioökonomisch schlechter gestellten Familien eine gute Kita-Qualität zugute kommt. Sie profitieren in Hinblick auf ihre sprachliche, sozio-emotionale und kognitive Entwicklung, ihre Schullaufbahn und ihr späteres Erwerbseinkommen – internationale Studien finden auch Effekte auf eine höhere berufliche Bildung und Gesundheit im Erwachsenenalter. Außerdem zeigt sich empirisch, dass ein früher Kita-Besuch bei guter Kita-Qualität zum Beispiel langfristig auch die Abhängigkeit von sozialen Fürsorgeleistungen reduzieren kann. Volkswirtschaftlich betrachtet, führen auch diese Effekte aufgrund einer besseren frühkindlichen Bildung zu einem Gewinn für die gesamte Gesellschaft und Volkswirtschaft, da dadurch langfristig die Einkommenssteuer- und Sozialversicherungseinnahmen steigen und die Ausgaben für soziale Fürsorgeleistungen sinken.« (1) Doch lassen sich diese positiven Auswirkungen auch zahlenmäßig fassen? Das Centrum für soziale Investitionen und Innovationen der Universität Heidelberg hat im Jahr 2014 am Beispiel einer Betriebskita der BASF die Effekte betrieblicher Kinderbetreuung untersucht und festgestellt: »Der wesentliche Nutznießer einer betrieblichen Kindertagesstätte ist in dem vorliegenden Fall die öffentliche Hand. Sie erhält für jeden Euro, den sie investiert, fast den sechsfachen Ertrag zurück und erzielt auf ihre eingesetzten Mittel den größten relativen Ertrag. Den staatlichen Zuschüssen stehen dabei folgende Einnahmen gegenüber: Zusätzliches Steueraufkommen, zusätzliche Abgaben zur Sozialversicherung und eingespartes Elterngeld.«(2) Die Studie nimmt neben dem Nutzen der öffentlichen Hand auch die Vorteile für Eltern und das Unternehmen in den Blick, sie lässt aber die langfristigen Effekte einer qualitativ hochwertigen frühkindlichen Bildung auf den weiteren Lebensweg der Kinder bei ihren Berechnungen außen vor.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) stellte 2017 fest, dass für Deutschland mehr differenzierte Effizienzanalysen frühkindlicher Bildungs- und Betreuungsangebote erforderlich sind.(3) Die Forscher:innen verweisen aber auf fundierte Analysen aus dem angloamerikanischen Raum, die eindrucksvoll zeigen, »dass viele Bildungs- und Betreuungsangebote in der frühen Kindheit sehr große Kosten-Nutzen-Verhältnisse von bis zu 16 Dollar pro investiertem US-Dollar aufweisen.«(4)

Forscher wie der amerikanische Wirtschaftsnobelpreisträger James J. Heckman empfehlen, in institutionelle frühkindliche Bildung zu investieren, um Ungleichheit zu verringern und Aufstiegschancen für Kinder aus sozioökonomisch benachteiligten Familien zu verbessern. Dabei sieht Heckman eine besondere Bedeutung bei der Förderung von sozioemotionalen Kompetenzen. Nach seinen Angaben erzielt eine gute frühkindliche Bildung durch höhere Bildung, eine bessere Gesundheit, weniger Kriminalität und besseres soziales Verhalten eine Rendite von 13 % pro Jahr.(5)

Sehr deutlich fordert auch der Kronberger Kreis, der wissenschaftliche Beirat der Stiftung Marktwirtschaft, höhere Investitionen in die frühkindliche Bildung: »In Deutschland sind die privaten Bildungsausgaben anders zusammengesetzt als in vergleichbaren Industrieländern. Der private Finanzierungsanteil an den gesamten Bildungsausgaben ist hierzulande für die vorschulische Bildung deutlich höher als für die Schul-, Betriebs- und Hochschulbildung. Im internationalen Vergleich zeigt sich: Diese Aufteilung ist nicht geeignet, Chancengerechtigkeit herzustellen, und bedarf daher einer gründlichen Überarbeitung.«6 Diese Mahnung ist umso bemerkenswerter, als der Kronberger Kreis sonst unter dem Motto »Mehr Mut zum Markt« staatlichen Ausgaben eher kritisch gegenübersteht.

Es wird aber deutlich, dass bei frühkindlichen Bildungsmaßnahmen die größten positiven Effekte der gesamten Gesellschaft zugutekommen, während Bildungsmaßnahmen im höheren Alter (z. B. Abitur oder Studium) insbesondere für den einzelnen Menschen Vorteile bringen.

Auch die im August 2024 vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) herausgegebene Studie »Investitionen in Kinder wirkungsvoll gestalten« stellt fest, dass die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung Deutschlands maßgeblich von den Kindern abhängt.

Die Autoren fordern, dass ein besonderes politisches Augenmerk auf die Bildungsarbeit gerichtet werden muss: »Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels gewinnen Investitionen in die Entwicklung von Kindern für die langfristige wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung Deutschlands zunehmend an Bedeutung. Allerdings sind die staatlichen Ausgaben für die Schulen und Betreuungseinrichtungen im Vergleich mit den anderen entwickelten Ländern nur mittelmäßig. 

Dies spiegelt sich auch auf der Wirkungsebene wider. So schneiden die deutschen Schülerinnen und Schüler bei den PISA-Studien auch nur mittelmäßig ab.«(7)

Schlussfolgerung

Betrachtet man all diese Studien und Gutachten, so bleibt als Schlussfolgerung festzuhalten: Die bestehende Finanzierungslücke in der gesetzlichen Kita-Finanzierung muss weiter geschlossen werden. Ein System, das die Qualität der frühen Bildung von den finanziellen Möglichkeiten von Kommunen, Eltern und Trägern abhängig macht, ist nicht zukunftsfähig.

Dirk Rumpff 

Vorstand Recht und Finanzen beim Evangelischen KITA-Verband Bayern


Die Schließung der Finanzierungslücke – wie ist der Stand?

Im September 2021 hat das vom StMAS initiierte Bündnis für frühkindliche Bildung in einem Zwischenbericht empfohlen, die Finanzierungslücke in der gesetzlichen Betriebskostenförderung zu schließen und die Finanzierung auf Grundlage des § 74 a SGB VIII umfänglich zu regeln.(8)

Zur Landtagswahl 2023 hat der evKITA insgesamt 72 Kandidierenden, die sich verpflichten, sich für die Umsetzung der Empfehlungen des Bündnisses für frühkindliche Bildung einzusetzen, den evKITA-Award verliehen.(9)

Am 04.07.2024 hat eine Anhörung im Sozialpolitischen Ausschuss des Landtags stattgefunden. Hier wurde von allen Sachverständigen einhellig gefordert, die gesetzliche Förderung von derzeit ca. 60 % auf 90 % der durchschnittlichen Betriebskosten anzuheben.(10)

Nun ist es an der Zeit, dieses Vorhaben finanziell im nächsten Doppelhaushalt 2025 / 2026 einzuplanen. Wir werden an dem Thema dranbleiben!


1 Spieß, K. (2021): Warum wir Kitas brauchen – eine volkswirtschaftliche Perspektive; Durchblick 2021, abrufbar unter www.evkita-bayern.de/fileadmin/user_upload/durchblick/2021Durchblick_2021_11_Warum_wir_Kitas_brauchen_K.Spiess.pdf 

2 Then, Volker / Münscher, Robert / Stahlschmidt, Stephan / Knust, Rüdiger (2014): Studie zu den Effekten betrieblicher Kinderbetreuung; Centrum für soziale Investitionen und Innovationen der Universität Heidelberg; S. 4

3 Schmitz, Sophia / Kröger, Antonia (2017): Effizienzanalysen frühkindlicher Bildungs- und Betreuungsangebote: Mehr differenzierte Analysen für Deutschland erforderlich; Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Berlin; DIW Roundup 112

4 a. a. O; S. 7

5 vgl. https://www.netzwerk-kinderbetreuung.ch/de/journal/2017/03/13/gesellschaftlicher-und-wirtschaftlicher-nutzen-von-fruehkindlicher-bildung/

6 Kronberger Kreis / Stiftung Marktwirtschaft (2013): Bildungsfinanzierung neu gestalten; S. 50

7 Geis-Thöne, Wido / Plünnecke, Axel (2024): Investitionen in Kinder wirkungsvoll gestalten; Gutachten im Auftrag des Deutschen Komitee für UNICEF e.V.; Köln; S. 35

08 Zwischenbericht der Facharbeitsgruppe »Kita 2050« für das Bündnis für frühkindliche Bildung in Bayern, abrufbar unter https://www.stmas.bayern.de/kinderbetreuung/buendnis-fruehkindliche-bildung.php

09 www.evkita-bayern.de/landtagswahl2023

10 https://www.bayern.landtag.de/aktuelles/aus-den-ausschuessen/sozialausschuss-2/?fbclid=IwZXh0bgNhZW0CMTEAAR1jwCUghmZaw2x4I1l1YKZVjXlFHRo4iNYT0_cCc1wPn2mFqcjlfJJ5ywo_aem_GVIK4l6xhBBcrn9ROXhkJA

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