Aufnahme von Kindern aus der Ukraine in der Kindertagesbetreuung – Grundlagen und Tipps

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Der Krieg in der Ukraine bestimmt die Medienberichterstattung und wir alle betrachten die Entwicklungen mit Angst und Sorge. Die Menschen in Deutschland rücken zusammen, machen vielerorts Platz für Familien, die aus der Ukraine geflohen sind. Zusätzlich entstehen neue Unterkünfte für die Geflüchteten.

Damit gerade die Kinder ankommen können, helfen ihnen Routinen, sichere Orte, das Angenommen-werden. Dies alles könnten Kinder in der Kita erfahren. Aber unter welchen Umständen haben Kinder aus der Ukraine ein Recht auf einen Kita-Platz? Wie könnte das umgesetzt werden, wo doch die Kita-Teams schon am Limit arbeiten und Personal fehlt? Und wenn dann Kinder in der Kita sind, wie läuft es mit der Verständigung mit den Kindern und den Eltern? Was brauchen die Bestandskinder und die neuen Kinder?
 

Pädagogische und alltagspraktische Informationen und Tipps

evKITA-Fachberaterin Nadine Ott hat ein Impulspapier mit pädagogischen und alltagspraktischen Informationen und Tipps zusammengestellt. Sie finden darin Hinweise und Gedanken zum Umgang mit sprachlichen Barrieren, zur Eingewöhnung und zum Thema Trauma. Jedes Thema wird mit Links und Informationsquellen ergänzt.

Das Impulspapier finden Sie hier als pdf-Datei zum Download:
Aufnahme von Kindern aus der Ukraine in der Kindertagesbetreuung - Impulspapier mit pädagogischen und alltagspraktischen Informationen und Tipps

Rechtliche Grundlagen

„Ein Rechtsanspruch auf Kindertagesbetreuung nach § 24 SGB VIII besteht ab dem vollendeten ersten Lebensjahr bis zur Einschulung und entsteht mit der Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts in Bayern“, heißt es aus dem bayerischen Sozialministerium.

Die Frage, ab wann ein „gewöhnlicher Aufenthalt“ in Bayern vorliegt und somit der Rechts­anspruch entsteht, hänge vom konkreten Einzelfall ab. Eine pauschale Aussage dazu ist nach Angaben des StMAS in der jetzigen Situation nicht möglich.

Ergänzend weist das Ministerium auf die grund­sätzliche Anmeldefrist nach Art. 45a AGSG von drei Monaten vor der geplanten Inanspruch­nahme des Betreuungsplatzes hin.
 

Umsetzung in der Praxis

Kindertageseinrichtungen - und auch die Kindertagespflege - leisten einen wichtigen Beitrag zur Förderung der Entwicklung und zum Spracherwerb der Kinder und sie können die schutzsuchenden Familien bei der Eingewöhnung in ihre neue Lebenswelt unterstützen. Wenn für eine Familie ein längerer Aufenthalt in Bayern abzusehen ist, ist es daher wichtig, die Kinder in die örtlichen Strukturen der Kindertagesbetreuung aufzunehmen.

Wenn Familien aus der Ukraine die Möglichkeit einer Unterbringung, z.B. bei Familien­angehörigen, erhalten und einen „gewöhnlichen Aufenthalt begründen“, gilt der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz in einer Kindertageseinrichtung beziehungsweise in der Kindertagespflege. Aber Voraussetzung dafür sind u. a. ausreichend zur Verfügung stehende, adäquate Betreuungsangebote, ein niedrigschwelliger Zugang zu den Kindertageseinrichtungen bzw. zur Kindertagespflege, eine möglichst gemeinsame Betreuung von deutsch- und nicht-deutschsprachigen Kindern sowie eine gute Ausstattung mit qualifiziertem Fachpersonal.

Die Kitas sind allerdings vor allem wegen des Fachkräftemangels bereits stark belastet. Auch infolge von Corona hat das pädagogische Personal keine Kapazitäten für zusätzliche Aufgaben. Bereits jetzt ist spürbar, dass selbst erfahrene pädagogische Kräfte das Arbeitsfeld verlassenen. Die Aufnahmefähigkeit der Kitas stößt also an ihre Grenze.

Es gibt verschiedene Ideen und Ansätze, um den ukrainischen Kindern ein Ankommen in Deutschland zu ermöglichen. Diese Ideen wären vor Ort aber zu prüfen und mit der jeweiligen Aufsichtsbehörde abzustimmen.

  • Bereits in Aufnahmeeinrichtungen können im Rahmen der Möglichkeiten niedrigschwellig zugängliche Angebote gemacht werden. Dabei wäre es hilfreich, sie so auszugestalten, dass sie sich sowohl an die Kinder als auch an deren Eltern richten.
  • Niedrigschwellige Angebote der Kindertagesbetreuung, die zugleich Eltern eine intensivere Mit­wirkung ermöglichen, bieten nach der bisherigen Erfahrung gute Chancen, die Förderung der Kinder mit der Unterstützung der Eltern bei der Integration zu verbinden.
  • Die Kommunen sollten prüfen, welche Brückenangebote zur Verfügung stehen oder geschaffen werden können, um die Kinder stundenweise an die Regelbetreuung in den bayerischen Einrichtungen heranzuführen.
  • Zu denken ist dabei zum Beispiel an niedrigschwellige begleitende Kinderbetreuung im Falle von Sprachkursen für die Eltern sowie stundenweise Bildung und Erziehung ge­meinsam mit den Eltern speziell für Flüchtlingsfamilien aus der Ukraine, z.B. in Familienzentren.
  • In Betracht kommen auch Spielangebote zusammen mit den heimischen Kindern, wenn die Sprachbarriere ggf. durch Sprachmittler*innen überwunden wird.
  • Auch die Räume von Kindertageseinrichtungen können ggf. im Anschluss an die reguläre Kinderbetreuung genutzt werden. Die ukrainischen Familien werden in der Regel vor allem am An­fang noch nicht auf Betreuung zur Vereinbarkeit von Familie und Erwerbs­tätigkeit angewiesen sein.
  • Die Staatsregierung prüft derzeit, welche der unterschiedlichen, etablierten Unterstützungsstrukturen mit Bezug zu Integration und Stärkung geflüchteter Familien herangezogen und ggf. gestärkt werden können.
  • Insbesondere bedarf es hier auch einer zeitnahen Klärung der Verlängerung, Ausweitung oder aber Reanimierung einschlägiger Bundesprogramme, wie des Programms „Kita-Einstieg“, „Elternchance ist Kinderchance bzw. Elternbegleiter“, aber auch des Bundes­programms „Integrationskurs mit Kind: Bausteine für die Zukunft".
  • Ein weiterer zu prüfender Aspekt ist die Unterstützung durch ehrenamtliches Engagement. Hier könnten gezielt pädagogische Fachkräfte im Ruhestand angesprochen werden.  

Wichtig ist, dass sich die Träger bei der Aufnahme von Kindern aus der Ukraine mit den Aufsichtsbehörden beraten.
 

Förderrechtlicher Rahmen

Sofern erforderlich sei vorgesehen, im Rahmen der staatlichen Förderung flexible Lösungen zu ermöglichen, heißt es aus dem StMAS. Die förderrechtlichen Rechtsfolgen werden nach § 17 Abs. 4 S. 5 Nr. 2 Kinder­bildungsverordnung (AVBayKiBiG) aufgrund höherer Gewalt zunächst für die Monate März bis Mai 2022 ausgesetzt, falls der Mindestanstellungsschlüssel oder die Fachkraftquote bei zusätzlicher Aufnahme von geflüchteten Kindern nicht eingehalten werden können, so das Ministerium weiter.
Unberührt davon bleibt die Frage der Betriebserlaubnis.

Im Einzelfall ist zu prüfen, ob und für welchen Zeitraum zusätzlich Plätze genehmigt werden können. Spielräume sind möglichst zu nutzen. Ob Brückenangebote einer Betriebserlaubnis bedürfen, ist abhängig von der Ausgestaltung des Angebots.


Einsatz pädagogischer Kräfte aus der Ukraine im Bereich der Kindertagesbetreuung

Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch unklar, inwiefern ein Einsatz von pädagogischen Kräften aus der Ukraine im Bereich der Kindertagesbetreuung erfolgen kann. Im Fall eines absehbar längeren Aufenthalts, wäre dies für Einrichtungen eine Unterstützung bei der Begleitung und Betreuung ukrainischer Kinder und würde den erwachsenen Geflüchteten eine Perspektive und Tätigkeit eröffnen.

Der evKITA setzt sich dafür ein, dass Träger, die ukrainische Pädagog*innen (die noch nicht deutsch sprechen oder noch nicht anerkannt sind) als zusätzliche Kräfte in Kitas anstellen wollen, finanziell unterstützt werden. Ebenso ist ein zügiger weiterer Ausbau von Quereinsteigermaßnahmen ohne weitere Hürden dringend notwendig.

Im Rahmen der Förderung von Assistenzkräften haben sich Mitarbeitende mit Migrationshintergrund in Kitas als wertvolle Ergänzung erwiesen – auch als Kultur- und Sprachmittler*innen. Voraussetzung wäre, dass eine Grundqualifikation im Umfang von 160 Stunden für Tagespflegekräfte und weiteren 40 Stunden zur Assistenzkraft in Kindertageseinrichtungen angeboten würde, heißt es aus dem Ministerium. Die derzeit unklare Ausgangssituation hinsichtlich vorhandener Deutschkenntnisse werde geprüft.

Nach Angaben des StMAS ist eine Hotline geplant, die öffentliche und freie Träger der Kinder- und Jugendhilfe in Bayern dabei beraten soll, wie geflohene Menschen / Hilfskräfte / Fachkräfte aus der Ukraine in den Arbeitsmarkt der bayerischen Kinder- und Jugendhilfe integriert werden können.

 

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